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Transformation eines Blues Licks

Wenn du das Gefühl hast, dass du immer nur die selben Licks spielst und dir absolut nichts Originelles einfällt, ist dieser Workshop genau das richtige für dich!

Das Gehirn mit seinen 2 spezialisierten Hälften
Kreativ sein heißt nicht, nie Dagewesenes zu erschaffen. Und um seine Kreativität anzukurbeln, muss man auch nicht immer eine neue Skala oder Technik lernen. Viele coole Ideen entstehen auch, indem man das, was man schon kann und kennt, auf eine neue Weise kombiniert und dann weiterentwickelt.

Kurze Anmerkung, bevor wir starten: Es geht gar nicht so sehr darum, die Licks nachzuspielen. Hör dir einfach mal an, wie sich die Idee immer weiter verwandelt. Lass dich von den Möglichkeiten inspirieren und entwickle deine eigenes Material weiter.

In Beispiel 1 habe ich dir ein Standard Blues Lick aufgeschrieben. Um ehrlich zu sein, es ist das erste, was aus meinen Händen floss, als ich beschlossen hatte, diesen Artikel zu schreiben.
Standard Blues Lick


Was fängt man jetzt mit so einem Lick an? Das erste und vielleicht einfachste ist es, sich zu überlegen, ob man dieses Lick noch irgendwo anders auf dem Griffbrett spielen kann. Für Beispiel 2 habe ich das Lick einfach eine Oktave tiefer gespielt.
Country Lick

Für Beispiel 3 habe ich nur jede zweite Note eine Oktave tiefer gesetzt. Der Fachmann spricht dabei gern von Dispersion, was so viel wie Zerstreuung bedeutet. Das ist schon ein richtiger Ear-Catcher! Das habe ich im übrigen auch nicht einfach aus dem Ärmel geschüttelt, das musste ich üben. Solche Sachen sind zwar schwer zu improvisieren, aber sehr leicht zu schreiben. ;-) Das Lick habe ich gänzlich ohne Plektrum gespielt, nur mit Fingern, das macht die String Skips leichter.
Dispersion Country Lick

Man kann auch die generelle Idee (die Gestalt) des Licks übernehmen und auf eine andere Tonstufe innerhalb der Tonleiter übertragen. Hör dir Beispiel 4 an: Bending, Pull-Offs, die Bewegunsrichtung - nichts davon hat sich geändert. Nur auf einem anderem Ton habe ich begonnen.

Beispiel 5 stellt das komplette Lick auf den Kopf. Ich habe mich gefagt, was passiert, wenn alle Töne in die entgegengesetzte Richtung laufen würden. Selbst das Bending geht abwärts! Rausgekommen ist dabei Folgendes:

Mittlerweile haben wir komplett andere Töne und man könnte auch ewig so weiter machen. Ich will nochmal zu unseren Ausgangstönen zurückkehren und diesmal ein Riff daraus basteln. Ich habe alles eine Oktave tiefer gelegt und die A-Saite mit eingebunden - Beispiel 6.


Beipspiel 7 zeigt dir, was passiert, wenn man nur Slides spielen darf. Alles passiert mit einem Finger auf der g-Saite.

Eine andere Möglichkeit, das Lick komplett Legato zu spielen, zeigt Beispiel 8. Durch den Einsatz von Hammer-Ons, Pull-Offs und sehr sparsam eingefügtem "Right Hand Tappings" am Anfang und Ende.

Die beiden Beispiele 9 & 10 sind beim Versuch entstanden, möglichst viel Legato zu spielen, aber die Töne wieder auf mehrere Saiten zu verteilen. Ich habe in Beispiel 10 eine Blue-Note dazugemogelt. Die lag einfach gut in der Hand. ;-)

Beispiel 11 bedient sich einer Kompositionstechnik, die sich Pedal Point oder auch Orgelpunkt nennt: "Einen lang ausgehaltenen oder in bestimmtem Rhythmus wiederholten gleichen Ton, zu dem sich andere Stimmen harmonisch frei bewegen" (Wikipedia). Umgesetzt habe ich das, indem sich getappte Töne mit dem Grundton abwechseln, den ich einfach mit der linken Hang im zweiten Bund halte.

Ein Orgelpunkt muss aber nicht unbedingt der Grundton sein. In Beispiel 12 erklingt immer wieder die leere G-Saite zwischen. Diese Art mit Hammer-Ons und Pull-Offs und leerer Saite zu wechseln ist sehr verbreitet und gehört quasi zu den Grundlagen des (Rock-)Gitarrenspiels.

Mit dieser "Leersaiten-Methode" kann man unglaublich viele Variationen erstellen. Wie oft soll die Leersaite erklingen? In welchem Rhythmus sollen die Töne gespielt weden? Welche Tongruppen sollen wiederholt werden? Welche Töne sollen angeschlagen und welche sollen als Hammer-On oder Pull-Off gespielt werden? Wirklich viele Möglichkeiten, probiere es aus! Als kleine Starthilfe mit Beispiel 13 noch eine Abwandlung von mir.

Im nächsten Schritt habe ich mit anderen Leersaiten herumgespielt. Dabei ist dieses Riff entstanden, Beispiel 14. Danke an Rustam Guseinov, der einen Schlagzeug-Groove dazu eingespielt hat!

Lass uns jetzt mal was ganz anderes probieren. Weg vom Single-Note-Soloing, hin zur Mehrstimmigkeit. In Beispiel 15 habe ich unsere Ausgangsidee Country-mäßig in Sexten harmonisiert.

Ja, ja, ich habe eben Mehrstimmigkeit versprochen. Und die bekommst du auch in den nächsten Beispielen, ganz ehrlich. Aber nachdem ich das Sexten-Lick kreiert hatte, juckte es mich sofort in den Fingern, aus und mit den jetzt neu dazugewonnen Tönen ein abgefahrenes Country-Lick zu zaubern. Et voilà, Beispiel 16!

In Beispiel 17 habe ich unser Lick in Terzen gespielt.

Um neue Ideen zu entwickeln hilft es mir sehr oft, mir vorzustellen, wie meine Vorbilder wohl etwas gespielt hätten. In Beispiel 18 habe ich versucht, nach Nashville Studio-Gitarrist Brent Mason zu klingen. Ob mir das geglückt ist, ist gar nicht mal so entscheidend. Wichtig ist, auf neue Ideen zu kommen!

Auch mit Dreiklängen lassen sich Tonfolgen prima harmonisieren. Die A-Leersaite in Beispiel 19 könnte man auch weglassen, damit es rein dreistimmig bleibt. Ich fand den Klang aber so voller.

Zum richtigen Jazzer hat's bei mir nie gereicht. Leider, oder "zum Glück!", keine Ahnung... ;-) Aber mit Beispiel 20 will ich zeigen, dass nach vielen Jahren Gitarrenunterricht doch ein bisschen was zum Thema Drop2-Chords bei mir hängen geblieben ist. Willkommen im Land der Vierklänge.

Mit Beispiel 21 befinde ich mich nun völlig außerhalb meines Kompetenzbereichs: Quartharmonik. Nach der "klassischen" Musiktheorie werden Akkorde gebildet, indem man Terzen aufeinanderstapelt. Hier jetzt habe ich das Lick in leitereigenen Quarten in A-Mixolydisch harmonisiert. Die Akkorde zu benennen habe ich mir gleich gespart, denn bei einigen hatte ich echt keinen Schimmer.[1] Für mich klingt's schräg genug, dass ich es Jazz nennen würde. ;-) War auf jeden Fall ein interessantes Experiment für mich!

Probieren wir etwas ganz anderes. In Beispiel 22 habe ich versucht, so viele Töne wie möglich liegen und ineinander klingen zu lassen. Ich habe allerdings (wieder) etwas gemogelt und die chromatische Anspielung (den Ton c im Lick) gegen die B-Leersaite ausgetauscht.

Lass uns in die Trickkiste greifen. Mit dem Zauber von Flageoletts erklingt Beispiel 23. Nicht wundern: Den Oberton im 9. Bund bekommt man nicht mit jedem Sound hin. Hier muss man ein bisschen experimentieren.

Damit sind wir am Ende unserer Lick-Transformation angelangt. Und ich hoffe, dass du mit diesen und natürlich mit deinen eigenen Ideen dein Spiel erweitern kannst. Oft ist nicht so sehr entscheidend, was man sagt (welche Töne), sondern wie man etwas sagt (auf welche Weise die Töne gespielt werden).
Vielleicht beginnst du jetzt, mit einigen deiner Lieblingsphrasen herumzuspielen und ihnen frisches Leben einzuhauchen. Als längerfristiges Projekt könnte man auch mal ein komplettes Solo in dieser Art "transformieren". Trau dich und leg los!

You only have 12 notes. Do what you want with them.(Eddie van Halen)
[1] In der klassischen Musiktheorie kommen große Terz und Quarte im selben Akkord nicht vor bzw. gibt es keinen exakten Namen dafür. Manche schlagen A11 dafür vor. A11 steht für einen Dominant-Septakkord mit allen Optionstönen bis zur 11:

1 - 3 - 5 - b7 - 9 - 11 (bzw. a - c# - e - g - h - d).

Wenn ein Jazzer-Musiker aber A11 liest, lässt er im Normalfall die Terz automatisch weg und spielt wahrscheinlich einen A9sus4. Das hat er mal zum Thema Avoid-Notes gelernt, falls wer Google dazu befragen möchte.
Ich wollte aber beides, Terz und Quarte.
Nun kann man schreiben A7add11. Oder A7sus4(add12). Aber wozu und wer braucht das!?

Zumal: In dem Beispiel ist alles in einer "modalen Situation" wie man sagt. Das heißt, hier wechseln keine Akkorde, sondern Sounds innerhalb von A-Mixolydisch. Soll man dann jetzt die verwendeten Akkorde einzeln und für sich bennen (z.B. ein Dmaj7add11, wie er in meinem Bsp. vorkommt) oder interpretiert man alles vom Grundton A aus (dann wäre das ein A7/13add11 oder ein A13sus4add12). Wofür soll ich mich entscheiden?

Ganz schön kompliziert, oder? Und deshalb habe ich geschrieben, ich schreibe lieber keine Akkordnamen hin bei dem Beispiel.

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